Dokumenta 14 Part 2

von

Other Impressions

Diese Kunstgruppen, sie gruppieren(sonst wären sie keine Gruppen) um ihren Führer, ringen um Verständnis für das Banale, Schöne, Hässliche, Unsinnige und lauschen der Worte – nein, hängen an den Lippen – ihres Sachverständigen. Glücklich sind die, deren Führer zugibt auch kein näheres Verständnis für einzelne Exposés zu haben. Und so ziehen sie dahin von Highlight zu Sensation. Wer die Auswahl getroffen hat? Wer weiß?
Sowieso diese Kunsthüter, ständig ein Argus-Auge auf die Unikate werfen und gleichzeitig die dynamischen Unikate – manche sprechen auch von Besuchern – daran hindern, die Statik nicht zu verschieben. Ein Herr stolzierte doch durch ein kreisförmiges Büro-Ensemble mit Karteikästen, Lampen ohne mitzubekommen, dass er zeitweise und ungewollt Teil des Kunstwerks war. Die hektischen Flecken auf den Gesichtern von Begleiterin und Hütefrau sprachen Bände.

Dokumenta Halle
Du betrittst diesen Glaskörper, weißt nicht wohin – schon wieder – Devotionalien für einen afrikanischen Musiker leiten deine Ohren, deinen Blick und deine Füße. Aber das ist nur ein Anfang, eine Treppe hinauf: Den Blick wirfst du in Räume. Noten, allesamt unbekannt, ausgestellt lassen dich weitergehen. Soweit reicht die musikalische Ausbildung nicht, daraus Klänge im Gehirn zu generieren. Interessierst du dich für ein anderes Notensatzsystem, das weder Tempo noch Tonhöhe oder Lautstärke diktiert? Nicht? Dann gehe wieder nach unten, folge der Horde zum Treppenabsatz der nächsten Halle. Der Anblick hält die Fotografen und damit auch dich in der Engstelle gefangen: Blaue Tuchsegel hängen von der Decke – der Sinn egal, ist fotogen.


Die Treppe hinab, vorbei an den Rettungsboottrümmern flüchtiger Menschen und ihrem Musikinstrumentarium, lädt die Sperrholzrampe zum Verweilen. Der Duft nach frischen IKEA-Möbeln weckt heimelige Gefühle. Hier läßt es sich ruhen, die wunden Füße verschnaufen – aber nur kurz, denn du weißt, nicht was du sonst verpasst!


Ein schmaler Durchgang führt in eine Mitmacharena. Monitore künden von lächelnden Menschen, die Arme und Beine unter den wachsamen Augen eines Instructors, früher hätte man Lehrer gesagt, zur Musik bewegen. Sie können alles machen, wenn du verschwunden bist: also weg hier, zurück zu IKEA, den Instrumenten die keinen Musiker finden wollen, entlang an einer meterlangen Stickerei-Miniatur: Szenen der Jagd, vielleicht aus Lappland oder Sibirien. Gibt es dort Motorschlitten? Cool. Dann hinaus isn Grüne, abwärts geht es zur Orangerie. Das Grün der Blätter und Wiesen besänftigt die überreizten Sinne, mittelalterliche Harfenklänge begleiten deinen Weg in den Schlossgarten. Was wird dir hier begegnen?
Du querst eine Straße, rechts ein Kunstzeitschriften-Verkäufer mit seinem Lastenrad. Links oben an der Breitseite des Schlosses verkündet ein digitales Laufband die Verheißung des ‚wahren‘ Glaubens. Raus aus der Sonne in den Schatten der nächsten Ausstellung: Die Litanei eines Mönchsorden füllt per Video den Raum. Kannst du dich darauf einlassen, die Ruhe des Sermons ertragen?

Wenn nicht: Geh! Aber wenn du bleibst, wiederholt die nächste Bruderschaft das Stück und gibt dir die Möglichkeit Lücken zu füllen, die du verschlafen(?) hast. Oder die kulturellen Unterschiede der verschiedenen europäischen Klöster zu entdecken.

Das koloniale Münzpräge-‘Gestell‘ wartet auf dem Rasen auf dich. Die Kante gibt deinem Hintern halt und prägt sich ein. Wieder eine Reisegruppe: Ein Herr in grauem Anzug und Turnschuhen fällt ins Auge, trottet mit den anderen dir entgegen. Was will der hier? Kunst oder Frauen betrachten? Die Sonne hat ihn wohl in den Schatten seiner Selbst verwandelt. Hoffentlich siehst du nicht genauso aus!

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